Warum die Desinfektion weiterhin der Standard für die Aufbereitung von semikritischen flexiblen Endoskopen bleibt

Die Übertragung von pathogenen Mikroorganismen durch flexible Endoskope stand in den letzten Jahren vermehrt im Fokus der Aufmerksamkeit, da es Bedenken gab, dass unzureichend aufbereitete Endoskope übertragbare Mikroorganismen beherbergen könnten. Zur Verbesserung der Patientensicherheit müssen semikritische Medizinprodukte wie thermolabile flexible Endoskope ordnungsgemäß gereinigt und desinfiziert werden. Aufgrund der Wirksamkeit moderner Desinfektionsprozesse ist eine zusätzliche Sterilisation in der Regel nicht erforderlich.

Warum gibt es also so viel Verwirrung rund um die Sterilisation in Reinigungs-Desinfektionsgeräten für Endoskope (RDG-E)? Und kann die Sterilisation in RDG-E wirklich als wirksam angesehen werden? Und schließlich – welche Rolle spielt dabei ISO 14937 und wie unterscheidet diese sich von ISO 15883-4?

Lesen Sie weiter und erfahren Sie mehr über die Unterschiede zwischen Desinfektion und Sterilisation und warum eine chemische Flüssigsterilisation (LCS, liquid chemical sterilization) Ihre flexiblen Endoskope nicht sterilisiert bzw. warum diese im Vergleich zur Desinfektion keine erhebliche zusätzliche Sicherheit bietet.

Aufgrund ihres komplexen Designs mit zahlreichen Lumen und engen Kanälen und ihrer Thermolabilität benötigen flexible Endoskope ein verlässliches und spezielles Aufbereitungsprotokoll, um die Übertragung von Infektionserregern zu vermeiden und die Lebensdauer der Endoskope zu erhöhen. Bei der Aufbereitung flexibler Endoskope gibt es mehrere wichtige Schritte wie Vorreinigung, manuelle Reinigung, Desinfektion, Trocknung, Lagerung, Dokumentation und manchmal, falls nötig, auch Sterilisation. Jeder Schritt spielt eine wichtige Rolle bei der Reduzierung der organischen Belastung und der mikrobiellen Kontamination. Im folgenden Artikel konzentrieren wir uns auf die Desinfektion.

Desinfektion: Einhalten der internationalen Aufbereitungsstandards

Nach der Spaulding-Klassifikation werden die meisten flexiblen Endoskope als semikritische Geräte eingestuft, da sie mit intakten Schleimhäuten in Berührung kommen, jedoch normalerweise nicht in steriles Gewebe im menschlichen Körper eindringen. Diese Endoskope müssen gereinigt und desinfiziert werden, sodass Bakterien, Pilze, Mykobakterien und Viren bis zu einem vordefinierten Wert eliminiert/inaktiviert werden1. Daher wird die Desinfektion in der Regel als „ein Verfahren zur Inaktivierung von lebensfähigen Mikroorganismen auf ein zuvor als angemessen spezifiziertes Niveau, das für einen definierten Zweck geeignet ist“ bezeichnet [2]. Das oben erwähnte Wirksamkeitsspektrum von Desinfektionsmitteln muss anhand von standardisierten Prüfmethoden nachgewiesen werden und ist von einer ausreichenden Konzentration, Kontaktzeit und Temperatur abhängig. Für maschinelle Verfahren enthält die Norm ISO 15883-4 Anweisungen, die die Hersteller während der Entwicklung und der Typprüfung von Reinigungs-Desinfektionsgeräten für Endoskope (RDG-E) beachten müssen [2].

Verbesserung der Desinfektion durch sporizide Wirkung

Bei manchen Endoskopen ist die Eliminierung von Bakteriensporen wichtig. Bakteriensporen können von manchen Bakterien gebildet werden, um unter bestimmten Umweltbedingungen zu überleben. Sie sind deutlich widerstandsfähiger gegenüber ungünstigen Bedingungen, wie sie z. B. durch einige Chemikalien erzielt werden. Mit einem Desinfektionsmittel, das auch sporizid wirkt, kann die Sporenzahl jedoch signifikant reduziert werden [2][3][8][9][10].

Weltweit gibt es verschiedene Richtlinien, die die sporizide Wirksamkeit von Desinfektionsmitteln regeln (Tabelle 1). EN 171263, eine europäische Norm für Hersteller von Desinfektionsmitteln, beschreibt einen quantitativen Suspensionsversuch zur Bestimmung der sporiziden Wirkung von Desinfektionsmitteln. Auf Basis dieser Norm, bei der ein hypervirulenter Stamm von Clostridioides difficile (früher Clostridium difficile) mit der Bezeichnung PCR Ribotyp 027 als einer der potenziellen Prüfmikroorgansimen verwendet wird, kann die sporizide Wirkung eines Desinfektionsmittels durch eine Reduktion der Sporenzahl um einen Faktor von 4 log10 nachgewiesen werden. Diese Prüfung auf die sporizide Wirkung von Desinfektionsmitteln wird normalerweise unter Bedingungen mit geringer (clean condition) und hoher Belastung (dirty condition) durchgeführt. Die Prüfung unter Bedingungen mit hoher Belastung, bei der eine künstliche Prüfanschmutzung verwendet wird, liefert eine höhere Sicherheitsmarge, da potenzielle Reste aus früheren Reinigungsschritten simuliert werden. Zusätzlich besagt die internationale Norm ISO 15883-4 eindeutig, dass nach einem kompletten Standardzyklus in einem RDG-E eine Reduktion der bakteriellen Endosporen um den Faktor 4 log10 erzielt werden muss [2].

Tabelle 1: Prüfanforderungen an die sporizide Wirkung

Desinfektionsmittel/Sterilisationsmittel

Australien

USA

Europa

Richtlinie

TGA-104 (sporizide Wirkung für Sterilisationsmittel-Anspruch)

AOAC-966.04 (sporicidal activity of disinfectant)

EN 17126
(sporicidal activity)

Prüforganismus

Zum Beispiel: Bacillus subtilis, Clostridium sporogenes

Zum Beispiel: Bacillus subtilis, Clostridium sporogenes

Bacillus subtilis/
Bacillus. cereus
Clostridioides difficile

Minimale Sporenreduzierung

Nicht spezifiziert

Nicht spezifiziert

4 log10

RDG-E-Verfahren

Global

Richtlinie

ISO 15883-4

Prüforganismus

Verweis auf regionale Standards zur Prüfung der Wirkung von Desinfektionsmitteln

Minimale Sporenreduzierung

4 log10

Allgemeines Sterilisationsverfahren

Global

Richtlinie

ISO 14937

Prüforganismus

Potenzielle Prüforganismen:
Bacillus atrophaeus
Clostridium sporogenes
Geobacillus stearothermophilus

Minimale Sporenreduzierung

Nicht spezifiziert

Der Hype um die chemische Flüssigsterilisation und ISO 14937

Im Gegensatz zur Desinfektion ist die Sterilisation definiert als „validiertes Verfahren zur Befreiung eines Produkts von lebensfähigen Mikroorganismen“ [4]. Das bedeutet, dass das Sterilisationsverfahren Mikroorganismen bis zu einem Wert von nahezu Null eliminiert, was wiederum bedeutet, dass die Wirksamkeit eines Verfahrens als Wahrscheinlichkeit mit der Bezeichnung SAL (Sterility Assurance Level, Sterilitätssicherheitsniveau) gemessen wird. Normalerweise sollte ein SAL von 10-6 erreicht werden [5]. Die allgemein bevorzugte Sterilisationsmethode für Medizinprodukte ist die Dampfsterilisation und die Wirksamkeit dieser Methode ist gut erforscht. Das Verfahren kann jedoch aufgrund von hitzeempfindlichen Komponenten, die durch die hohen Temperaturen leicht beschädigt werden, nicht für kritische wiederverwendbare flexible Endoskope verwendet werden [1].

Warum eine chemische Flüssigsterilisation NICHT bedeutet, dass Ihr Endoskop sterilisiert wurde

In anderen Regionen der Welt wie den USA werden sporizide Desinfektionsmittel auch als Sterilisationsmittel bezeichnet. Sie werden häufig mit Desinfektion (HLD, high-level disinfection) assoziiert. HLD ist als „vollständige Eliminierung aller Mikroorganismen in oder auf einem Instrument, mit Ausnahme einer kleinen Anzahl von Bakteriensporen“ definiert [6][7]. Im Kontext der Desinfektion ist der Begriff Sterilisationsmittel jedoch irreführend, da es sich bei Desinfektion und Sterilisation um zwei unterschiedliche Methoden handelt. Dies wird bei der Evaluierung der chemischen Flüssigsterilisation deutlicher.

Die LCS wurde zur Sterilisation von hitzeempfindlichen Geräten eingeführt. Dabei werden HLD-Desinfektionsmittel verwendet, die aufgrund ihrer sporiziden Wirkung, z. B. bei Testung gemäß AOAC-966.048 (USA) oder TGA-1049 (Australien), als Sterilisationsmittel bezeichnet werden (siehe Tabelle 1). Wird ein Gerät einer LCS unterzogen, wird es für eine vorgeschriebene Zeitdauer (je nach Marke bis zu 12 Stunden) bei einer kontrollierten Temperatur komplett in eine aktive Sterilisationsmittellösung eingetaucht6. In Verbindung mit einem RDG-E gibt es jedoch keinen spezifischen Sterilisationsstandard, der eingehalten werden muss. RDG-E-Hersteller können die Norm ISO 14937 anwenden [10]. In dieser internationalen Norm sind die allgemeinen Anforderungen an ein Sterilisationsverfahren (durch physikalische und/oder chemische Mittel) von verpackten Medizinprodukten spezifiziert (falls keine andere Norm für ein bestimmtes Sterilisationsverfahren existiert).

Im Gegensatz zur Norm ISO 15883-4 werden in ISO 14937 einige Schlüsselvariablen, einschließlich Prüfmethode, Prüfmikroorganismen und minimale Sporenreduktion, nicht spezifiziert (siehe Tabelle 1). Zudem muss angemerkt werden, dass die Prüfbedingungen der Studien zur Wirksamkeit einer Sterilisation signifikant von denen einer Desinfektion abweichen. Prüfungen zur Wirksamkeit einer Sterilisation werden nur unter sauberen Bedingungen durchgeführt. In Bezug auf die Desinfektion hingegen bedeutet eine konforme Prüfung die Simulation unter sauberen und verschmutzten Bedingungen.

In Bezug auf die Definition des Begriffs „Sterilisationsmittel“ werden in Europa Chemikalien, die zur maschinellen Desinfektion verwendet werden, als Desinfektionsmittel mit sporizider Wirkung bezeichnet. Bei der Aufbereitung von Endoskopen in einem RDG-E können eigentlich keine Bedingungen für eine Sterilisation erreicht werden. Selbst wenn zum Beispiel ein Sterilisationsmittel in einem RDG-E verwendet wird, sind das Wasser, das für die Schlussspülung verwendet wird, und die Luft innerhalb und außerhalb des Geräts nicht steril. Außerdem erfordern sterile Medizinprodukte spezifische Konservierungsprozesse, einschließlich einer sterilen Verpackung und Lagerung.

Desinfektion: ein sicheres Aufbereitungsverfahren

Es gab mehrere Versuche zur Verbesserung der Desinfektion. Hierzu zählen Methoden wie die Wiederholung der Desinfektion (DHLD, Double HLD), HLD plus zusätzliche Sterilisation mit Ethylenoxidgas (ETO) und LCS – die häufig in den USA verwendet wird. Obwohl die Desinfektion weiterhin der Standard für die Endoskopaufbereitung bleibt, schlug die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) 2015 vor, dass die Einführung zusätzlicher Maßnahmen wie LCS oder DHLD die Sicherheit aufbereiteter Duodenoskope verbessern könnte [11].

Evidenz aus neueren Studien zeigt, dass die zuvor erwähnten Methoden im Vergleich zu Desinfektionsverfahren keine größere Sicherheit in Bezug auf das Hygieneniveau bieten. In einer von Gromski et al. publizierten Studie [12] wurden z. B. DHLD und LCS verglichen. Die Ergebnisse einer Hygieneprüfung von fast 900 Duodenoskopen führte zu geringen Raten positiver Kulturen. Dies zeigt, dass die Anwendung der LCS zur Aufbereitung von Duodenoskopen die Hygiene weder verbessert noch zusätzliche Sicherheit bietet.

Eine weitere Studie ergab, dass DHLD-Verfahren im Vergleich zu Standard-HLD-Verfahren keinen zusätzlichen Nutzen bieten [13]. In einem Vergleich von mit HLD, DHLD oder HLD plus ETO-Gassterilisation aufbereiteten Duodenoskopen wurden zudem keine signifikanten Unterschiede zwischen diesen Gruppen in Bezug auf die bakterielle Kontamination festgestellt [14].

Insgesamt zeigen diese Studien, dass ein einfacher routinemäßiger Desinfektionsprozess – der derzeitige Aufbereitungsstandard – wirksam ist.

Zusammenfassung

Eine effektive Aufbereitung ist unerlässlich, um sicherzustellen, dass medizinische Instrumente sicher wiederverwendet werden können und um die Übertragung pathogener Mikroorganismen zu verhindern. Es gibt zwar Bestrebungen in den USA, den Einsatz von LCS und DHLD zu fördern, zahlreiche Studien haben jedoch gezeigt, dass diese Methoden keinen signifikanten Einfluss auf das Mikrobenwachstum und das Übertragungspotenzial haben. Vielmehr gibt es bisher keine publizierten Daten, die belegen, dass eine LCS der Endoskope im Vergleich zur Routinedesinfektion ein besseres Ergebnis liefert [12].

Allerdings ist es wichtig, dass jeder Schritt des Aufbereitungsprozesses, einschließlich der Vorreinigung und manuellen Reinigung, ordnungsgemäß durchgeführt wird, um eine erfolgreiche Desinfektion semikritischer flexibler Endoskope zu erzielen – für eine größtmögliche Patientensicherheit.

Quellen und weiterführende Literatur

  1. Reprocessing of flexible endoscopes and endoscopic accessories used in gastrointestinal endoscopy: Position Statement of the European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) and European Society of Gastroenterology Nurses and Associates (ESGENA) – Update 2018. Beilenhoff, U, Biering, H, Blum, R, et al. European Society of Gastrointestinal Endoscopy (2018) https://www.esge.com/assets/downloads/pdfs/guidelines/2018_a_0759_1629.pdf

  2. ISO 15883-4:2018 - Washer-disinfectors — Part 4: Requirements and tests for washer-disinfectors employing chemical disinfection for thermolabile endoscopes.

  3. EN 17126 - European Standards. https://www.en-standard.eu/csn-en-17126-chemical-disinfectants-and-antiseptics-quantitative-suspension-test-for-the-evaluation-of-sporicidal-activity-of-chemical-disinfectants-in-the-medical-area-test-method-and-requirements-phase-2-step-1/

  4. ISO 11139:2018 - Sterilization of health care products — Vocabulary of terms used in sterilization and related equipment and process standards. https://www.iso.org/standard/66262.html

  5. ISO 17665–1:2006 Sterilization of health care products – Moist heat – Part 1: Requirements for the development, validation and routine control of a sterilization process for medical devices Ref.: Definitions 3.50

  6. A Rational Approach to Disinfection and Sterilization. Guideline for Disinfection and Sterilization in Healthcare Facilities (2008). Centers for Disease Control and Prevention. https://www.cdc.gov/infectioncontrol/guidelines/disinfection/rational-approach.html

  7. Other Sterilization Methods. Guideline for Disinfection and Sterilization in Healthcare Facilities (2008). Centers for Disease Control and Prevention. https://www.cdc.gov/infectioncontrol/guidelines/disinfection/sterilization/other-methods.html

  8. AOAC 966.04-2002, Sporicidal Activity of Disinfectants. http://www.aoacofficialmethod.org/

  9. Therapeutic Goods (Standard for Disinfectants and Sanitary Products) (TGO 104) Order 2019. https://www.legislation.gov.au/Details/F2019L00482

  10. ISO 14937:2009 - Sterilization of health care products — General requirements for characterization of a sterilizing agent and the development, validation and routine control of a sterilization process for medical devices. https://www.iso.org/standard/44954.html

  11. Supplemental Measures to Enhance Duodenoscope Reprocessing: FDA Safety Communication. https://www.fdanews.com/ext/resources/files/08-15/081015-duodenoscopes-fda.pdf?1520541508%20.%20Aug%202015

  12. Double high-level disinfection versus liquid chemical sterilization for reprocessing of duodenoscopes used for ERCP: a prospective randomized study. Gromski, M, A, Sieber, M, S, Sherman, S, Rex, D, K. Gastrointestinal endoscopy (2021) https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC8101057/

  13. A randomized trial of single versus double high-level disinfection of duodenoscopes and linear echoendoscopes using standard automated reprocessing. Bartles, R, L, Leggett, J, E, Hove, S, et al. Gastrointestinal Endoscopy (2018) https://www.giejournal.org/article/S0016-5107(18)30130-5/fulltext

  14. Randomized Comparison of 3 High-Level Disinfection and Sterilization Procedures for Duodenoscopes. Snyder, G, M, Wright, S, B, Smithey, A, et al. Gastroenterology (2017) https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/28711629/